CO2-Free-Ride und Spa

von Redaktion ‎ 12/02/2024
Freeride/Touren
CO2-Free-Ride und Spa

Wer vom Paznaun spricht, denkt in erster Linie an Ischgl. Und viele, die von Ischgl sprechen, denken nicht unbedingt ans Skifahren, sondern an Konzert und Party. 

Wir denken mal anders, zäumen das Tal von unter her auf. Öffi-Anreise hilft dabei, ohnehin unnötiges schlechtes Gewissen zu vermeiden. Zwar ist das Paznaun (so wie das Engadin ohne Tal!) mit den Wintersportorten See, Kappl, Ischgl und Galtür fern von allen urbanen Räumen, doch ist der Bahnhof Landeck an der Westbahnstrecke von Wien, Salzburg, Innsbruck, dem Rheintal und Zürich rasch zu erreichen. Von dort geht es dann mit dem Bus 260 im Winter im Halbstundentakt ins Tal. Nach 21 Minuten ist das Skigebiet See, nach 32 Minuten Kappl, nach 44 Minuten Ischgl und schließlich nach etwa einer Stunde Galtür erreicht. Fünf Millionen Euro ist dieses Service den Skigebieten jeden Winter wert.  Trotzdem, allzu viele Urlauber reisen (noch) nicht so an. Doch einmal im Tal lassen viele das Auto stehen und nutzen die Angebotsvielfalt der Skigebiete mit dem Bus. 

Startpunkt See

See ist das kleinste Skigebiet. Fast wäre man geneigt zu sagen: Noch. Denn hier gab es vergangenen Winter die einzige neue Bahn im Tal, eine 8er-Gondelbahn Furglerblick, die uns auf 2.570 m Höhe hievt. Vom Tal (1040m) auf das 1800 Meter hoch gelegene Metrig Center ging’s mit einer 6er-Gondel, von hier hat man dann das ganze Skigebiet im Visier. Wer weiterkommen will, klettert auf den Zeinis-Sessellift und wendet oben begeistert den Blick nach links.  Hier ist weit unten die ebenfalls erst vor wenigen Jahren errichtete Versing-Gondel zu sehen, die eine weite Geländekammer eröffnet. Nicht nur eine eine tolle Piste, auch zwei Skirouten mit wenig Gefälle locken als gesichertes Naturerlebnis. Hardcore-Freerider sind zu beobachten, wie sie sich vom Zeiniseck in der Diretissima zur Talstation Versing hinunterstürzen. Sonst bietet See aber vor allem Familien ein schneesicheres Terrain, obwohl auch zwei schwarze Abfahrten ausgeschildert sind. Um nochmals auf das Nachhaltigkeitsdenken zu sprechen zu kommen: Im Gebiet verstecken sich kleine Kraftwerke, die von den das Skigebiet begrenzenden beiden Bächen gespeist werden - und die Rohre der Beschneiungsanlagen optimal ausnützen. Sie produzieren übers Jahr vier Mal soviel Strom (15 GW/h), wie Bergbahnen und Beschneiung verbrauchen können. Bergbahn-Geschäftsführer Matthäus Tschiderer beschwört:  „Unser Überschuss entspricht der Ersparnis von 1,2 Mio. Liter Diesel, dem Jahresverbrauch von 3.750 Haushalten, beziehungsweise dem C02-Fußabdruck von 440 Österreichern.“ 

So wird das hier extrem spannende Freeride-Erlebnis zum CO2-Free-Ride.

Auch wenn die Hänge  gerade links von der Versing-Bahn zum Powern einladen, den besten Namen in Sachen Freeride hat das benachbarte Kappl - nicht zuletzt durch internationale Wettkämpfe. Umso besser, dass seit heuer ein Ticketverbund von Kappl und See besteht. Vor allem im Frühjahr lautet die Idealvariante: Vormittags auf der Südseite in Kappl, nachmittags See. Lifttechnisch ist das ziemlich in einer Talenge an den Berghang gepresste Kappl ohnehin längst top. Auch wenn der Zubringer vom Tal ein wenig historisch anmutet, er soll aber 2026 einer moderneren Bahn weichen - und leistet noch seine Dienste bestens.  Oben sollte sich keiner die Variante Blanken vom Lattenjoch entgehen lassen. Durch die Länge von 8 km fordernd ist die Lattenabfahrt, hält man sich weiter links findet man auch Unverspurtes. Beim letzten, nicht mit Neuschnee verwöhnten Aufenthalt, hatte Guide Erwin einen adrenalinfördernden Osthang für uns in der Nähe der Hartlas-Extrem-Route in petto. Wie gesagt, Wächteneinstieg - und nur mit lokalem Guide! 

In Ischgl, wo man in erster Linie auf weiten, bestens präparierten Almwiesen, die zum Bolzen einladen, unterwegs ist,  drängen sich kaum abenteuerliche Pisten auf. Doch auch hier ist es keine schlechte Idee, in der Skischule einen Guide zu nehmen. Das durch eine Großgondel erschlossene Gebiet Piz Val Gronda verfügt zwar nur über eine Piste, die sich kaum von den anderen unterscheidet, als Freerider hat man aber im tirolerisch-schweizerischen Grenzgebiet eine vergleichsweise risikoarme Spielwiese oder kann - am besten recht früh - eine Tourenabfahrt nach Samnaun erleben. 
Nachmittags wartet nun neu eine „Therme“ in Ischgl - was in Tirol nicht unbedingt mit Mineralwasser zu tun hat. Das riesige, von den Silvretta-Bergbahnen betriebene Spa besteht aus zwei Gebäuden mit je vier Stockwerken, bietet innen und außen eine Wasserfläche von über 1.000 m2, eine Wasserwelt mit Kinder-, Sole- und Sportbecken, Whirl-Grotte und jeder Menge Wärmestuben. Als Kontrastprogramm führt eine 1.300 m2 große Eislaufbahn um die Anlage. Der Ansturm auf das spektakuläre Bad ist bisher aber noch sehr überschaubar.

„Es ist eine zusätzliche Infrastruktur, besonders für Sommer und Herbst“, sagt Günther Zangerl, Vorstand der Silvrettaseilbahnen Ischgl. Nach Kinderkrankheitenlaufe diese nun CO2-neutral. 37 Sonden wurden bis zu 300 m in die Tiefe gegraben, um die Erdwärme zu nutzen. „Natürlich ist der Stromverbrauch - wir nutzen ausschließlich Ökostrom - nicht gering. Und auch nicht billig“, bestätigt Zangerl, dass die Silvretta-Therme ein Defizit bleiben wird. Denn nicht nur das große Freibecken, auch die Eislaufbahn frisst ebenfalls ordentlich Energie. Aufgrund der Abstrahlwärme des Gebäudes ist im Laufe des  Februar die „Eiszeit“ ohnehin vorbei. Selbst wenn der „Stromüberschuss“ vom Taleingang von Ischgls Therme konsumiert würde, die  klimaneutralen Bemühungen sind da - und machen die sportlichen Skitage in hochalpiner Umgebung so noch entspannender.