Freeride de luxe - Von Nord bis Süd auf Skiern durchs Ländle

von Redaktion ‎ 11/03/2024
Willkommen im Tiefschnee
Freeride de luxe - Von Nord bis Süd auf Skiern durchs Ländle

EINE WOCHE IM SCHNEE, reichlich gefüllt mit Naturerleben, Tiefschneegenuss garniert mit überschaubaren Dosen an Anstrengung. Das kann nach dem letzten Schwung, der im Montafon an der Gargellen Talstation mit einem heißen Jagatee gefeiert wurde, bilanziert werden. Denn so klein kann ein österreichisches Bundesland gar nicht sein, als dass dessen Durchquerung auf Skiern nicht ein Hauch von Strapaze innewohnen würde. Die Durchquerung Vorarlbergs vom Kleinwalsertal bis ins hintere Montafon ist in der Komfortvariante Ski Ride Vorarlberg keine Extremtour: Sondern das je nach Personenzahl knapp 3.000 Euro kostspielige Luxusbeispiel dafür, wie der Touren- und Freerideboom in heimatlichen Gefilden optimal für Menschen aufbereitet werden kann, die es sonst zum Heli-Skiing in die kanadischen Rockies treibt. 

Es findet nach individueller Terminvereinbarung für Gruppen von maximal sechs Personen statt. Neben den Übernachtungen und der Begleitung durch erfahrene Guides sind die Lifttickets, Transfers und der Gepäcktransport inkludiert. Logiert wird in feinen Häusern, die Aufstiege werden zum größeren Teil zu Auffahrten, während hinunter der Tiefschnee verführt. Wenn irgendwas extrem ist, dann ist es das Vergnügen. Klar, bei so einem strahlend blauen Himmel braucht Begeisterung nur einen geringen Anstoß. Um gleich in der Früh loslegen zu können, führt nach dem Treff in Dornbirn der Kleinbus die  abenteuerlustigen Skifahrer ins Kleinwalsertal. Mit dem Chesa Valisa in Hirschegg sind schon mal die ersten beiden Nächte mit gediegenem Komfort garantiert. Der erste Skitag wiederum dient dem Kennenlernen. Der Kollegen, der Guides, des Materials und seiner eigenen Fähigkeiten. Am „Einheimischentipp“ Walmendinger Horn ist von Beginn an ein Maß an Übermotivation garantiert. Schon am Vortag wurde die beste Tourenausrüstung mit Abfahrtsschwerpunkt eingestellt. Übersetzt heißt das, nicht ultraleichte Latten für Berghetzer sind gefragt, sondern ein für Pisten und Tiefschneeabschnitte möglichst optimaler, nicht zu schwerer Ski.

Zuerst geht’s von Mittelberg hinauf, dann über die menschenarmen Pisten, vor allem im Bereich des 4er-Sessellifts Muttelberg. An der Bergstation heißt es auffellen und dann über den manchmal schon leicht an den Nerven knabbernden Grat hinüber auf den Muttelbergkopf, um eine sensationelle, unverspurte und durchaus fordernde Abfahrt durch den Pulver (ja, sagt ruhig Pulver zum Powder!) zu erleben. Einfach eine geile Line! So stellte sich schon am ersten Tag heraus: Für Heli-Skiing muss keiner nach Kanada reisen. Es reicht der so genannte „Ski Ride Vorarlberg“. 

MANCHMAL RIESELT DER POWDER VOM HIMMEL. Damit muss man sich auch einmal abfinden. Auch wenn bei der Fahrt von Hirschegg hinauf zur Ifen-Talstation noch mehrfach die Sonne durchblinzelte. Bald wird aufgefellt und das Hahnenköpfle (2.085 
m) erobert. Gefühlt eine Nordpolexpedition mit heftigem Schneefall und Wind. Die Querung über den mit Kalklöchern gespickten Gottesacker – ein Name als Programm – ist bei Sonnenschein ein sensationelles Naturerlebnis. Bei Nebel jedoch ein  Naturabenteuer, das den Guides alles an Konzentration und ihren Schutzbefohlenen nicht weniger an Vertrauen abverlangt. Neben der Erfahrung am Gottesacker hilft auch das GPS den passenden Einstieg ins Kalbelegüntles zu finden. Es ist das Ende der Querung und Beginn der Abfahrt zur Schönenbachalm. Die Nacht und der bereits über elf Stunden alte Tag haben für mehr Schnee als erwartet gesorgt. 

Vorsichtig – und einzeln! – geht es vorerst mehr tastend in den 33 Grad-Hang, ehe die Sicht und der Schnee doch eine Reihe genialer Tiefschneeschwünge zulässt. Eng wird’s dann nochmals beim Schlupf, der ein paar Grad steiler, aber kürzer, die letzte, lustvolle Hürde vor der Almenwelt unter dem Ifen darstellt. Ab dort geht es sanft gleitend dahin bis nach einem kleinen Gegenanstieg das tief verschneite Vorsäß Schönenbach  auftaucht. Es ist schon 14.00 Uhr vorbei und der bis dahin unterdrückte Hunger bricht voll hervor. Tags darauf geht es auch absolut in die skitechnische Zivilistation. Der Arlberg wartet und wenn es noch dazu ein Bilderbuchtag ist, dann ist er, viel zu schön, 
um sich auf Fotos zu konzentrieren. 

GENUSSVOLL – auch wenn bei diesen Schneemengen das Vergnügen konditionstechnisch schon mal in Arbeit ausarten kann. Während am Vortag die Guides „spurten“, nämlich im Gelände, veranlasste uns der Teammanager selbst zu spuren. 
08.05 Uhr war Transfer von Schoppernau mit dem Skibus nach Warth. Noch ehe die Lifte anfuhren, waren wir startklar, um nach einer kurzen Auf- und Abfahrt schließlich ins Gebiet von Lech zu kreuzen. Der Rest ein Traum in Weiß, Tiefschneehänge fordernd und vergnüglich, sowie Powder bis über die Nasenspitze. Ehrlich gesagt – die  einzelnen befahrenen Hänge zu benennen ist nicht mehr zu schaffen. Aufgrund der Schneefälle galt es ja tunlichst nicht zu weit ins Gelände vorzudringen und vormittags war selbst am Arlberg noch nicht alles verspurt. Und das will was heißen. Das strahlende Wetter blieb uns bis zur Edelrast im Hirlanda erhalten, dann kam Sturm auf. Es war nicht mehr ratsam den Weißen Ring über Zug zu komplettieren. Das Madloch war auch bald gesperrt. Doch unser Ersatz gilt nicht zu Unrecht als eine der besten Abfahrten der Vorarlberger Arlbergseite: Die Einfahrt ins hochalpine „Wiesele“ erfolgt rechts von der Madloch-Talstation. In mehreren Hängen mit nur kurzen Querungen landet man bei der Galerie zwischen Lech und Zürs. Mit dem Skibus geht’s retour zu einer Nacht in Luxus.

BOCKSÄCKLRU benennt der Bregenzerwälder das uns anderntags erwartende Wetter. In Lautschrift. Dicke Flocken, Wind. Aber wir starten pünktlich um 09.00 Uhr hinunter zur Rüfikopfbahn. Oben gibt es exakt keine Wahl mehr, nur eine Piste Richtung Zürs offen, aber bald wird die Situation besser. Die sonst mögliche Tourenvariante über den Trittkopf und über die Galerie nach Stuben funktioniert bei so einer Lawinengefahr natürlich nicht. Bleibt der Bus nach Alpe Rauz, wo wir einmal mit der Valfagehrbahn kurz Tiroler Boden ankratzen. Rasant geht’s von dort runter nach Stuben über die breite  Piste, dann weiter mit dem Postbus nach Klösterle zum Sonnenkopf. Der Schneefall hat sich gelichtet, es öffnete sich ein Panorama aus unverspurten Tiefschneehängen. Rasch beseitigen wir punktuell den jungfräulichen Zustand. Nach der Mittagsrast in der gläsernen Muttjöchle-Hütte folgt der Anstieg auf das Muttjöchle (2.076 m). Das nachmittäglich flache Sonnlicht verleitet zum Fotowahn – und es wird später. Als schweißtreibend erwies sich nach dem Gipfelfoto auch die Tourenabfahrt. Einigen 
Schwüngen im wohl hier um den einen Meter tiefen Schnee folgten ebene Wanderstrecken. Irgendwann taucht das kleine Skigebiets Kristberg auf. Längst war der Skibetrieb hier beendet, da kurvte unsereins die letzte Skiroute ins Silbertal bei  Schruns.  

SILVRETTA NOVA ALS GROSSARTIGES FINALE. Dieses erwartete uns am sechsten Tag, der mit der Auffahrt mit der Hochjochbahn startet. Oben kann man sich fast täglich einem Powderprogramm anschließen, an Freitagen etwa dem Gipfelsturm  Zamangspitze. Der Aufstieg über den ausgesetzten Grat auf die Zamangspitze ist gar nicht so ohne. Doch was folgt ist die längste Variantenabfahrt von 1.500 Höhenmeter! Und zwar nicht irgendwelche, sondern vor allem im obersten Bereich perfekte. Wobei für Abfahrten dieser Länge meist gilt: Abgesehen von richtig kalten Pulverschneetagen im Hochwinter, muss mit unterschiedlicher Schneequalität gerechnet werden. Wir haben uns oben mehr als nur einige Minuten Zeit genommen, um die optimalen Verhältnisse zu erhalten – und bei weiten Schwüngen im obersten Bereich ist die Rechnung auch voll aufgegangen. Geht es bis St. Gallenkirch hinunter, dann kann über der Straße  schon wieder die Valisera-Bahn geentert werden, um auch dem endlosen Skigebiet der Silvretta Nova einen Besuch abzustatten. Es bleibt ein kurzer, denn oben wartet als ein letztes Highlight, eine der Tourenabfahrten in Richtung Gargellen. Zuerst eine Mutprobe, denn wir wählen eine Scharte, die wir durch ein Seil gesichert queren. Aber dann – eine traumhafte Tour. In Gargellen warten später spektakuläre Hänge wie Nidla, Rinderhütte, 
Täli und natürlich der Madrisa Steilhang. Auch bei Lawinengefahr erfreuen pistennah – vor allem im Waldbereich – immer wieder spektakuläre Tiefschneeabschnitte, die Spaß machen.